Kurzgeschichten

Ein stiller Sonntagmorgen

Von Sylvia Wedel

Es ist Sonntagmorgen acht Uhr. Alles schläft noch friedlich. Ich schleiche mich langsam aus dem Bett und gehe, von der Katze und dem Hund begleitet, in die Küche. Nachdem die Tiere gefüttert sind mache ich Kaffee und nehme eine große Tasse mit hinaus in den Garten. Es ist angenehm warm aber die Hitze des kommenden Tages lauert schon in den Ecken.
Auf dem Weg zur Pergola werde ich wieder von Hund und Katze eskortiert. Dort angekommen mache ich es mir in der Hängematte bequem. Auch die Tiere nehmen die ihnen Angestammten Plätze ein. Der Hund liegt auf seiner Decke in der Ecke, während die Katze auf dem Korbstuhl in meiner Nähe liegt, gelangweilt und etwas herablassend um sich blickend.

Ich genieße die Stille und lasse meine Seele baumeln. Kaum hat sie mit dem Baumeln angefangen, als ein lautes TOK, TOK, TOK an meine Ohren dringt. Der Nachbarjunge spielt doch tatsächlich um diese Zeit mit seinem Ball. Heftig tritt er ihn gegen die Mauer. TOK, TOK, TOK. Ich versuche das Geräusch zu ignorieren. Unmöglich. Wieso schläft der Junge um diese Zeit nicht noch und warum greifen die Eltern nicht ein? Immerhin ist Sonntag und es ist viel zu früh zum Fußballspielen. Nach mindestens zehnminütigem TOK, TOK, TOK, betritt endlich der Vater den Platz des Geschehens und weist seinen Sohn lautstark in seine Schranken. Das Geschrei ist lauter als das nervende Ballgeräusch und ich hoffe, dass Beide zurück ins Haus gehen. Tatsächlich kehrt nach einer kleinen Weile wieder Ruhe ein. Ich atme tief durch und nehme einen Schluck aus meiner Kaffeetasse. Eine Amsel hat sich am Gartenteich niedergelassen und nimmt ein ausgiebiges Bad. Ich verhalte mich ganz still und beobachte sie verzückt.

Da nähert sich von hinten ein lautes Husten. Ich brauche mich gar nicht erst umzudrehen, das Husten kenne ich. Es ist eindeutig mein bester Ehemann von allen, der sich jetzt noch lauter werdend, mit einem röchelndem Würgen nur unterbrochen von brodelnden Hustengeräuschen, in meine Richtung in Bewegung setzt. So ein ausgewachsener Raucherhusten ist nichts für schwache Magennerven aber ich bin das schon lange gewöhnt. Nicht so die Amsel. Sie ergreift wild flatternd die Flucht.
Mein Ehemann schaut sich mürrisch dreinblickend im Garten um. Um diese Uhrzeit ist er für gewöhnlich etwas schwierig. Ich bitte ihn deshalb den kleinen Bachlauf am Teich anzustellen, denn das sanfte Plätschern des Wassers hat meistens eine beruhigende Wirkung auf seine Nerven. Er tut mir den Gefallen, stellt bei dieser Gelegenheit jedoch fest, dass es nicht schaden kann den Teich etwas mit Wasser aufzufüllen. Dazu muss er jedoch die große Gartenpumpe einschalten, die mit ihrem dröhnenden Geräusch das leise Plätschern des Bachlaufs um ein Vielfaches übertönt. Gerade will ich ihn darauf hinweisen, als mit viel Getöse unser jüngster Sohn Dennis aus dem Haus in den Garten kommt. Was um Himmelswillen ist heute nur los? Die ganze Woche habe ich große Mühe die Beiden morgens rechtzeitig zum Aufstehen zu bewegen und heute stehen sie freiwillig in aller Hergottsfrühe auf der Matte!

Das Kind nähert sich mit sprunghaften Schritten und laut redend der Pergola. Sofort rettet sich die Katze auf den Holunderbaum. Aber Dennis hat es sowieso auf den Hund abgesehen und den begrüßt er jetzt auch ausgiebig und lautstark. Um die Unruhe wieder etwas in den Griff zu kriegen macht sein Vater den Vorschlag mit dem Hund spazieren zu gehen bevor es zu heiß dafür wird. Dennis ist davon überhaupt nicht begeistert, der Hund dafür umso mehr. Das Wort - Spazierengehen -versteht er nämlich. Aus lauter Vorfreude beginnt er sofort zu fiepen und zu bellen. Sein Herrchen versucht, erfolglos, ihn zu beruhigen indem er ihn laut anschreit doch endlich ruhig zu sein.
Mittlerweile hat der Geräuschpegel die Stärke einer kleinen Party erreicht und ich kann nur hoffen, dass mein Mann wirklich mit dem Hund spazieren geht, denn der ist inzwischen außer Rand und Band. Unser Sohn hat sich wieder ins Haus zurückgezogen und so macht sich mein Ehemann mit Hund alleine auf den Weg zur Garage. Er packt ihn ins Auto und dann betätigt er den Garagentoröffner.
Mit einem bösartigen, knirschendem Quietschen bewegt sich das Tor nach oben. Dieses Geräusch liegt auf einer Frequenz die Zahnkronen zum Platzen bringt!
Jedes Mal wenn er das Tor in Bewegung setzt sagt mein bester Ehemann von allen, dass er das Tor unbedingt ölen muss aber bisher hat er das noch nicht fertig gebracht. Die Aussicht auf eine halbe Stunde Ruhe lässt mich das Herunterfahren des Tores ertragen.
Kaum ist es unten begebe ich mich in Richtung Gartenpumpe um endlich das Dröhnen abzustellen. Kurz vor dem Ziel lässt mich das erneute und unüberhörbare Hochfahren des Garagentores herumfahren. Ich laufe in die Garage zurück und tatsächlich ist mein Mann noch mal zurückgekommen.

sonntag

Auf der Strasse hat er unseren Nachbarn getroffen. Jener mit dem ballspielenden Sohn. Die beiden wollen eine Motorradtour machen und er hat für seinen Sohn keinen passenden Helm. Mein Mann hat einen und hilfsbereit wie immer leiht er ihm diesen. Natürlich halten die beiden noch ein kleines Schwätzchen was dem nervös wartenden Hund im Auto gar nicht gefällt. Deshalb fängt er jetzt wieder an laut zu bellen. Das widerrum veranlasst den Nachbarjungen durch Herumrennen ums Auto das arme Tier fast zum Durchdrehen zu bringen. Vielleicht sollte ich unserem Nachbarn noch empfehlen, dass er seinen Sohn während der Motorradtour zwischendurch immer mal wieder ein paar Kilometer neben her laufen lässt, damit das Kind auch bestimmt müde wird. Ich verkneife mir jedoch jede bissige Bemerkung und halte mir die Ohren zu als das Garagentor jetzt wieder herunterfährt. Ein paar Minuten bleibe ich noch in der Garage stehen und behalte das Tor misstrauisch im Auge. Es bleibt unten.

Jetzt kann ich endlich die Gartenpumpe ausschalten. Ich setze mich in meine Hängematte und nehme einen Schluck Kaffee aus der Tasse. Er ist inzwischen natürlich kalt.
Um mich herum ist es still!
Fast unerträglich still!!
Ich stehe auf gehe ins Haus und höre ganz laut Musik.